Immer mehr Kreise empfehlen eine vegetarische Ernährung
Neues, aktualisiertes
Positionspapier der US-amerikanischen und kanadischen
Ernährungswissenschaftler zum Thema «Vegetarische
Ernährung»
Die ADA (American Dietetic Association) hat in der Juni-Ausgabe
ihrer Zeitschrift JADA ihr neues Positionspapier zur vegetarischen
Ernährung veröffentlicht. Gegenüber der letzten
Fassung von 1997 wurde es stark erweitert und aktualisiert.
Das zentrale Statement dieses 18 Seiten umfassenden Papiers, das sich
auf 256 Quellen abstützt, von 3 Autoren zusammengestellt und von
27 Wissenschaftlern überprüft und freigegeben wurde, ist:
« Es ist die Position der ADA, dass eine entsprechend geplante
vegetarische Ernährung gesund und ernährungsmässig
ausreichend ist und gesundheitliche Vorteile bei der Vorbeugung und
Behandlung bestimmter Krankheiten bietet.»
Ausserdem spricht sich die ADA sogar positiv für die vegane
Ernährung aus:
«Eine gut geplante vegane oder andere Art
der vegetarischen Ernährung ist für jede Lebensphase
geeignet, inklusive während der Schwangerschaft, Stillzeit,
Kindheit und in der Pubertät …»
Die Originalzusammenfassung des Dokumentes (Abstract) ist es wert,
hier in voller Länge wiedergegeben zu werden:
«Es ist die Position der amerikanischen
ernährungswissenschaftlichen Gesellschaft und der
Ernährungswissenschaftler von Kanada, dass eine entsprechend
geplante vegetarische Ernährung gesund und
ernährungsmässig vollwertig ist und gesundheitliche
Vorteile bei der Vermeidung und Behandlung bestimmter Krankheiten
bringt.
Wer ist die ADA?
Die ADA (American Dietetic Association) ist die grösste US-amerikanische Vereinigung von Ernährungsexperten (Ernährungswissenschaftlern, Diätberatern etc.) mit rund 70000 Mitgliedern. Die Aussagen der ADA gelten als wissenschaftlich fundiert und wegweisend. Die ADA wurde bereits 1917 gegründet. Im Internet ist sie zu finden unter: www.eatright.org |
Ungefähr 2,5% der Erwachsenen in den
Vereinigten Staaten und 4% der Erwachsenen in Kanada sind Vegetarier.
Eine vegetarische Ernährung wird dadurch definiert, dass sie
kein Fleisch, keinen Fisch oder kein Geflügel enthält. Das
Interesse am Vegetarismus scheint zu wachsen; viele Restaurants und
Bildungsstätten bieten vegetarische Mahlzeiten
routinemässig an. Ein erhebliches Wachstum des Umsatzes der
Nahrungsmittel, welche Vegetarier ansprechen, ist zu verzeichnen, und
diese Nahrungsmittel tauchen in vielen Supermärkten auf. Dieses
Positionspapier untersucht die aktuellen wissenschaftlichen Daten
bezüglich der wichtigsten Nährstoffe für Vegetarier,
einschliesslich Protein, Eisen, Zink, Kalzium, Vitamin D, Riboflavin,
Vitamin B12, Vitamin A, Omega-3-Fettsäuren und Jod. Die
vegetarische wie auch die vegane Ernährung erfüllen die
gegenwärtigen Empfehlungen für all diese Nährstoffe.
In einigen Fällen kann der Verzehr von angereicherten
Nahrungsmitteln oder Ernährungszusätzen nützlich sein
zum Erreichen der jeweiligen Empfehlungen für einzelne
Nährstoffe.
Gut geplante vegane und andere Arten der vegetarischen
Ernährungsweise sind für alle Phasen des Lebenszyklus
geeignet, einschliesslich Schwangerschaft, Stillzeit, früher und
späterer Kindheit und Pubertät. Vegetarische
Ernährungsweisen bieten eine Reihe von Ernährungsvorteilen,
einschliesslich niedrigerer Werte an gesättigten
Fettsäuren, Cholesterin und tierischem Eiweiss und höhere
Niveaus an Kohlenhydraten, Ballaststoffen, Magnesium, Kalium,
Folsäure und Antioxidantien wie Vitamin C und E und
Phytochemikalien.
Berichten zufolge weisen Vegetarier niedrigere
Körpermasse-Indizes auf als Nichtvegetarier wie auch niedrigere
Todesraten hinsichtlich ischämischer Herzerkrankungen.
Vegetarier haben auch niedrigere Werte beim Blutcholesterin,
niedrigeren Blutdruck, seltener Diabetes vom Typ 2 und Prostata- und
Darmkrebs. Obgleich eine Anzahl von öffentlich finanzierten und
durchgeführten Ernährungsprogrammen den Ansprüchen von
Vegetariern gerecht werden, gibt es zurzeit nur wenige mit passenden
Angeboten für Veganer. Wegen der Vielzahl der verschiedenen
Ernährungspraktiken bei Vegetariern sind individuelle
Bewertungen der jeweiligen Nahrungsaufnahme erforderlich.
Ernährungswissenschaftler haben die Verantwortung, diejenigen zu
unterstützen und zu ermuntern, die Interesse an einer
vegetarischen Ernährung zeigen. Sie können die
Schlüsselrollen spielen bei der Erziehung vegetarischer
Interessenten hinsichtlich der jeweiligen Nahrungsmittelquellen
für spezifische Nährstoffe, Lebensmitteleinkauf und
-zubereitung wie auch bei der Festlegung der jeweiligen Anpassungen,
die für die Erfüllung des individuellen Bedarfs nötig
werden. Die Menüplanung für Vegetarier kann mittels eines
geeigneten Nahrungsmittelführers, der bestimmte
Nahrungsmittelgruppen und Portionen beschreibt, vereinfacht
werden.»
Was bedeutet dieses neue Positionspapier?
Noch vor einigen Jahrzehnten beschäftigte sich die Schulmedizin
fast ausschliesslich damit, Vegetarier auf die angeblich vielen
möglichen Mangelerscheinungen ihrer Ernährung aufmerksam zu
machen. Deshalb befassten sich die medizinischen Studien der
fleischessenden Wissenschaftler zur vegetarischen Ernährung auch
sehr intensiv mit allen möglichen Vital- und Nährstoffen.
Dies führte dazu, dass die vegetarische Ernährung in vielen
Detailfragen weit besser erforscht wurde als die gewöhnliche
fleischorientierte Ernährung, die man einfach als gegeben
hinnahm. Als man dann merkte, dass bei den meisten Vitaminen und
anderen Vitalstoffen die vegetarische Ernährung sogar besser
abschnitt als die nichtvegetarische Ernährungsweise, begann man
in den neunziger Jahren endlich sich auch mit den gesundheitlichen
Vorzügen dieser Ernährungsweise zu befassen. In dieser Zeit
wurden dazu jährlich rund 76 Fachartikel veröffentlicht.
Die offizielle Lehrmeinung, welche lange Zeit noch vor der
vegetarischen (und ganz besonders vor der veganen) Ernährung
warnte, wurde durch diese neueren Studien immer mehr in Frage
gestellt. Man konnte sich jedoch immer darauf berufen, dass man noch
nicht genug darüber wisse und man deshalb weitere Forschungen
machen müsste, bevor man sicher sein könnte, dass die
vegetarische Ernährung tatsächlich gesund sei. Offenbar
spielte dabei auch eine Rolle, dass die allermeisten Wissenschaftler
selbst noch Fleisch assen und deshalb noch immer hofften, dass ihre
Ernährung doch die bessere sein könnte.
Die ADA zog mit ihrem neuen, aktualisierten Positionspapier nun
endlich einen Schlussstrich unter die ständigen Mutmassungen.
Sie sprach sich damit als anerkannte grosse Organisation für die
vegetarische, ja sogar für die vegane Ernährung aus.
Diesem Positionspapier ging eine lange Entwicklung voraus. In den USA
hat sich in den letzten Jahren die Propagierung der «plant-based
diet» durchgesetzt. Diese hauptsächlich aus vegetarischen
Nahrungsmitteln zusammengesetzte Ernährung mit einem hohen
Anteil an Früchten und Gemüsen fand in den letzten Jahren
immer mehr Unterstützer: die Amerikanische Herzvereinigung, die
Schlaganfallstiftung, das Nationale Gesundheitsinstitut der USA, die
amerikanische Krebsvereinigung und andere. Aber auch in der Schweiz
setzte sich die Empfehlung, seine Ernährung auf pflanzliche
Produkte zu basieren, mit etwas Verzögerung immer mehr durch,
insbesondere durch die Schweizer Krebsliga, welche den Zusammenhang
zwischen einer fleisch- und fettreichen, aber faserstoffarmen
Ernährung und einigen Krebsarten nicht mehr ignorieren konnte.
Obwohl alle diese Empfehlungen darauf abzielten, den Konsum an
tierischen Produkten zu verringern, bezog niemand direkt Stellung zur
vegetarischen Ernährung. Man glaubte weiterhin, dass man
wenigstens ein bisschen Fleisch oder ein bisschen Fisch essen sollte,
um gesund zu bleiben.
Diesen letzten Schritt zur vegetarischen Ernährung überwand
nun das neue Positionspapier der ADA.
Dieses Beispiel verdeutlicht auch sehr gut, dass die Wissenschaft
nicht in einem wertfreien Raum handelt: Es braucht ein Umdenken,
meist über Generationen hinweg, bis sich eine neue Lehrmeinung
durchsetzen kann, auch wenn von Anfang an vieles dafür sprechen
würde. Man ignorierte z.B. konsequent, dass die wenigsten Inder,
welche bekanntlich bereits seit Jahrtausenden lakto-vegetarisch
leben, Ernährungswissenschaften studiert haben und dennoch
völlig gesund sind, ohne ständig ihre Speisen anhand
Tabellen der Schulmedizin bzw. Ernährungswissenschaftler
zusammenzustellen.
Was heisst «eine gut geplante Ernährung»?
Eine pflanzenbasierte vegetarische Ernährung ist zwar in der
Regel gesünder als eine fleischlastige Ernährung, doch gibt
es auch dabei Dinge, die man beachten sollte. Im Grunde geht es hier
darum, dass man mit ausschliesslich Weissbrot und Süssigkeiten
nicht vollwertig ernährt ist, egal ob mit oder ohne Fleisch.
Für Vegetarier gelten also grundsätzlich dieselben
Ernährungsempfehlungen wie für Nichtvegetarier:
abwechslungsreich, vollwertig, frisch.
Wobei Vegetarier in der Regel mehr Früchte und Gemüse essen
und somit automatisch näher an den Ernährungsempfehlungen
liegen als Fleischesser. Da die ADA jedoch eine Vereinigung von
Ernährungswissenschaftlern ist, welche die Ernährung vor
allem auf Molekülebene analysiert, wird in dem Positionspapier
auf die verschiedenen Nahrungsbestandteile in je einem Abschnitt
eingegangen. Hier eine kurze Zusammenfassung zu einigen
erwähnten Punkten im Dokument aus Sicht der ADA (wer sich
eingehender dafür interessiert, sollte das Originaldokument
lesen, welches selbst schon eine übersichtliche Zusammenfassung
darstellt):
Eiweiss: Auch für eine gute Eiweissversorgung
ist eine abwechslungsreiche Ernährung nötig. Die ADA
berücksichtigt auch neuere Forschungsergebnisse, die belegen,
dass es nicht nötig ist, jedes Gericht anhand seiner
Zusammensetzung der Eiweissbausteine (Aminosäuren) zu
kombinieren, da man durchaus in einer Mahlzeit mehr vom einen und
dafür in der nächsten mehr vom anderen essen kann. Es wird
ausdrücklich erwähnt, dass auch vegetarische Sportler keine
Probleme mit der Eiweissversorgung haben.
Eisen: Eisenmangel kommt gleich häufig bei
Fleischessern wie bei Vegetariern vor. Da Milchprodukte praktisch
kein Eisen enthalten, nehmen Veganer mehr Eisen zu sich als
Ovo-Lakto-Vegetarier.
Zink: Obwohl das Zink aus pflanzlichen Quellen
anscheinend nicht so gut verwertet wird wie das aus tierischen,
konnte man keinen Zinkmangel bei untersuchten Vegetariern
feststellen. Die Zinkaufnahme (z.B. vom Getreide/Brot) wird vor allem
durch die Phytate gehemmt. Diese werden durch Keimen deaktiviert
(dies gilt auch für die Eisenaufnahme). Weshalb Vegetarier
normalerweise keinen Zinkmangel aufweisen, ist von der Schulmedizin
noch nicht restlos erforscht.
Kalzium: Kalzium ist in vielen Gemüsesorten in gut verwertbarer
Form enthalten. Die Kalziumaufnahme bei Lakto-Vegetariern ist
mindestens so hoch wie die von Nichtvegetariern. Bei Veganern ist die
Aufnahme meist etwas niedriger.
Vitamin D: Es ist für die Kalziumaufnahme
wichtig. Grundsätzlich wird dieses Vitamin auf der Haut bei
direkter Sonneneinstrahlung gebildet. Für Menschen, die kaum an
die Sonne kommen und keine mit diesem Vitamin angereicherten Produkte
konsumieren, empfiehlt die ADA, Vitamin D zusätzlich
aufzunehmen.
Vitamin B2 (= Riboflavin): Einige Studien haben
aufgezeigt, dass Veganer weniger von diesem Vitamin zu sich nehmen
als Fleischesser. Allerdings konnte dennoch kein Mangel bei Veganern
festgestellt werden.
Vitamin B12: Dieses Vitamin kommt vermutlich nur in
tierischen Produkten vor bzw. die Mengen, die in pflanzlichen
Produkten (durch Bakterien) enthalten sind, sind zu gering oder nicht
in der benötigten Form, um einen echten Beitrag zur
B12-Versorgung zu leisten. Ovo-Lakto-Vegetarier können durch den
Konsum der tierischen Produkte genügend B12 erhalten. Es wird
empfohlen, dass alle Vegetarier, die kaum Tierisches essen (somit
alle Veganer), Vitamin-B12-angereicherte Produkte oder
B12-Präparate konsumieren sollten. Allerdings wird auch allen
Personen (also auch Fleischessern) über 50 Jahre empfohlen,
B12-Präparate zu sich zu nehmen. Die Vitamin-B12-Versorgung ist
also kein rein veganes Problem.
Das Vitamin wird am besten aufgenommen, wenn man öfters kleine
Mengen davon konsumiert.
Zu beachten ist bei dieser Aussage noch, dass in den USA bereits sehr
viele Nahrungsmittel mit diesem Vitamin angereichert werden und das
B12-Problem erst akut wurde, seit die Nahrungsmittel industriell
verarbeitet werden und extrem rein sind. Dadurch fehlen die
nötigen Bakterien, welche das B12 produzieren können, in
der heutigen Nahrung der Industrienationen.
Vitamin A / Beta-Carotin: Vitamin A kommt
hauptsächlich in tierischen Produkten vor. Der Mensch kann aber
aus dem Beta-Carotin, das in pflanzlichen Nahrungsmitteln enthalten
ist, problemlos Vitamin A erzeugen. Untersuchungen zeigten, dass
weder Vegetarier noch Veganer an einem Vitamin-A-Mangel leiden.
Krankheiten
Nach einem Kapitel, in dem auf die verschiedenen Personengruppen
eingegangen wird (Kindheit, Pubertät, Schwangerschaft,
Stillzeit, Alter, Sportler), wird in einem ausführlichen Kapitel
auch zu einigen konkreten Krankheiten Stellung genommen, welche durch
die vegetarische Ernährung vorgebeugt werden können. Die
einzelnen Abschnitte lauten: Übergewicht, kardiovaskuläre
Krankheiten (Herzinfarkt, Angina pectoris usw.), Bluthochdruck,
Diabetes vom Typ 2, Krebs, Osteoporose, Nierenerkrankungen, Demens,
Ausstülpungen (Divertikel) im Darm, Gallensteine, rheumatische
Arthritis.
Es wird bei diesen zum Teil sehr weit verbreiteten Erkrankungen
zusammengefasst, welche positiven Resultate wissenschaftliche Studien
mit vegetarischer bzw. veganer Ernährung bezüglich dieser
Erkrankungen zeitigten.
Vegetarismus in der Öffentlichkeit
Das letzte Kapitel des Positionspapiers zeigt, wie die öffentlichen Institutionen der USA (Schulen usw.) die vegetarische Ernährung zurzeit behandeln. Unter anderem erfährt man dabei, dass das US-Militär dafür sorgt, dass auch immer etwas Vegetarisches im Angebot ist. Auch das kanadische Militär offeriert immer mindestens ein vegetarisches Gericht zu jeder Mahlzeit. 10 bis 15% der kanadischen Militärs wählen bereits die vegetarische Variante.
Das Positionspapier ist ein Meilenstein in der Anerkennung der vegetarischen und veganen Ernährung in der Gesellschaft und in der Schulmedizin. Bleibt zu hoffen, dass auch andere Organisationen in anderen Ländern diesem Beispiel folgen werden und die alten Vorurteile bald überwinden.
Veröffentlicht wurde das Positionspapier der ADA im:
Journal of the American Dietetic Association.
2003;103:748-765.
Auf der Internetseite der ADA kann dieses Positionspapier auch eingesheen (und als
PDF-Dokument heruntergeladen) werden: ADA
positionpaper.
Dies vollständige deutsche Übersetzung der ganzen Studie finden Sie hier als PDF und als Webdokument (HTML).
Auch eine italienische Übersetzung ist davon im Internet abrufbar: Posizione dell'American Dietetic Association e dei Dietitians of Canada: Diete Vegetariane
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